Pilgerfahrten

Die Pilgerfahrten zum Quirinus von Neuss

Schon vor der Translatio der Gebeine des heiligen Quirinus 1050 nach Neuss muss eine Wallfahrttradition bestanden haben. Es wird berichtet, dass Erzbischof Heribert noch vor seinem Tod 1021 nach Neuss pilgerte. Auch die Darstellung eines Quirinuspilgers auf einem Doppelkapitell im Quirinusmünster, kurz nach 1209 in Stein gemeisselt, zeigt ein Bild des mittelalterlichen Krankenelends. Die Pilger erhofften sich Heilung durch den Heiligen.
Der Bonner Volkskundler Matthias Zender schreibt, dass schon im hohen Mittelalter dem heiligen Quirinus, wie sehr vielen Heiligen, bestimmte Leiden zugewiesen waren, in denen er als „patronis specialis“ helfen konnte. Quirinus sei die Macht verliehen worden, bei Geschwüren, Drüsenleiden und hartnäckigen Hautausschlägen. Zur Verehrung und Wallfahrt schreibt er weiter, dass Neuss zu den Orten zählte, die von Straffälligen nach Verurteilung durch die Gerichte besucht werden mussten. Solche Pilger kamen vor allem aus dem heutigen Belgien. Schon vor 1475 (Belagerung durch Karl den Kühnen) zogen also Pilger aus entfernten Teilen nach Neuss.
Karl Köster hat 124 Belege von Neusser Quirinuszeichen (Pilgerzeichen und Wallfahrtsmedaillen) europaweit gefunden.
Verstärkt setzte die Verehrung nach 1475 ein. Die Kunde vom mächtigen Schirmherrn und Helfer Quirinus, der die Stadt vor der Erstürmung durch Karl den Kühnen von Burgund gerettet hatte, drang über die Grenzen des Rheinlandes. Selbst Burgunder wallfahrteten nach Neuss, um den Schrein des Heiligen zu sehen, der die Stadt und ihre Verbündeten gerettet, aber auch sie, obwohl Feinde, verschont hatte. Auch die am Kampf beteiligten Söldner brachten den Quirinuskult in ferne Länder. In den nachfolgenden 50 Jahren wurden über 50 Kultstätten, Kirchen und Altäre gegründet.
Die Wallfahrten brachten der Stadt und ihren Bürgern ein beträchtliches Einkommen.
Der Wohlstand wuchs. Jedoch machte sich durch die starke Belastung bei den Bürgern auch Unmut breit. Zwei große Prozessionen, Anfang Mai und kurz vor Pfingsten, und die Beeinträchtigung der Jahrmärkte führte zum Abklingen der Begeisterung. Zudem verbreitete sich gerade am Niederrhein im 16. Jahrhundert der Reformkatholizismus, der der Heiligenverehrung sehr skeptisch gegenüber stand. Die Bürger blieben zwar dem alten Glauben verbunden, änderten aber ihre Einstellungen zum Heiligen und zum Quirinusstift sehr rasch. Die Pilgerfahrten verringerten sich, versiegten jedoch nicht ganz. Die Verehrung des heiligen Herzens Jesu, das Altarssakrament, die Beichte und religiöse Unterweisung treten in den Vordergrund.
Neben der Hilfe bei Krankheiten der Menschen werden ab dem 17./18. Jahrhundert Heilige verstärkt als Beschützer der Tiere verehrt. So wird den 4 Marschällen jeweils ein Tier zugeordnet: Antonius mit dem Schwein, Cornelius mit dem Rind, Hubertus mit dem Hirsch oder Hund und Quirinus mit dem Pferd. Diese Verehrung als Schutzpatron der Tiere hat sich bis heute erhalten.